Mein Kind wird zehn!

10-jähriges Website-Jubiläum, symbolisch dargestellt mit P22 Zaner One und Zaner One Xtras

Auf den Tag genau vor zehn Jahren schubste ich meine erste Website ins Netz. Mit dem eigenhändig in Netscape Composer erstellten Vorläufer dieser gerade betrachteten Seite wurde ich innerhalb meines persönlichen Umfeldes noch als Exot betrachtet. Unglaublich, wie dieses Medium seitdem aus unserem Leben Platz nicht mehr wegzudenken ist. Ich war seit meiner Online-Entjungferung, die in Form eines Besuchs der Website der Fantastischen Vier etwa drei Jahre zuvor stattfand (damals noch erreichbar über ein extrem langsames, aber dafür lautes Modem sowie der Eingabe einer unendlich langen CompuServe-URL), auf geradezu dämonische Weise von ihm fasziniert. Diese Begeisterung hält bis heute an.

1999 war Webspace noch ein kostbares Gut, so dass ich meine ersten Gehversuche auf dem Server meiner damaligen Hochschule machte. Dazu musste man dem entsprechenden wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Diskette in die Hand drücken, der die darauf befindlichen Webdaten dann auf den Uniserver kopierte. Bei jedem noch so kleinen Update.

Am 14. Juni 1999 tanzten also erstmals die animierten GIFs über den dezent dunkel gekachelten Hintergrund, mit weißer Times New Roman wurden die fälligen Botschaften in die Welt posaunt. Zehn Jahre sind seitdem vergangen, knapp fünf davon mehr oder weniger in Blogform. Zehn Jahre aktiven Auslotens der Möglichkeiten weltweiter Vernetzung. Zehn Jahre des privaten, globalen Publizismus. Zehn Jahre des Ausreizens technischer und inhaltlicher Möglichkeiten. Zehn Jahre, in denen ich viel über das Medium gelernt habe. Und über mich selbst.

2009 sieht meine Internetwelt so aus: Zeit ist mit 30 Jahren deutlich kostbarer geworden. Praktische Spielereien mit den neuesten technologischen Entwicklungen sind einfach schon zeitlich nicht mehr drin. Auch ein neues Design der Website ist daher mittelfristig nicht machbar. Auch inhaltlich ist es schwer geworden, Schritt zu halten. Dabei mangelt es keinesfalls an potenziellen Themen und Ideen. Im deutschsprachigen Bereich ist das typografisch-fachliche Angebot an lesenswertem Futter zudem sehr übersichtlich geworden. Will heißen, dass heute eigentlich die beste Zeit für entsprechenden textlichen Ausstoß wäre. Doch diese wertigen Beiträge entstehen leider nicht beim halbstündigen Morgenkaffee. So kommt mir der aktuelle Massentrend der 140 Zeichen gelegen. Die Themen werden in Tweets nicht mehr intensiv vorgestellt, ausgeweitet oder bewertet, sondern vielmehr quantitativ statt qualitativ und überhaupt gezwitschert.

Auf zwei Twitterkanälen befriedige ich derzeit schnell und dreckig das eigene Mitteilungsbedürfnis: privat auf twitter.com/gabrowitsch und beruflich auf twitter.com/FontFont. Dann und wann erscheint sogar noch ein Beitrag in der Tradition alter Zeiten im Fontblog bzw. im FontFeed, aber das kann man alles auch an einer Hand abzählen. Auch im ehemals regelmäßig und eine Zeit lang sogar ausschließlich von mir bedienten Fotobereich habe ich mich längst entschleunigt und bin auf die analoge Fotografie umgestiegen. So passiert dieser Bereich quasi nur noch unbemerkt, weil fernab des globalen Netzes. Eine paradoxe Situation, denn prinzipiell steigen die eigenen Ansprüche gleichzeitig mit den Erfahrungen, dem Wissen und den Ideen — aber leider eben entgegengesetzt zum vorhandenen Freizeitrahmen.

So muss man bei einem solchen Jubiläum auch fragen: wird es in weiteren zehn Jahren die Website immer noch geben? Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass ich morgen einfach alles stoppe oder gar lösche, um nur noch passiv am Webgeschehen teilzunehmen. Es kann aber auch sein, dass ich morgen genauso gut mit einem regelmäßigen Typo-Videocast, einer neuen zweisprachigen Artikelreihe oder aufwändigen Schriftenportraits an den Start gehe. Ich weiß es wirklich nicht. So bleibt mir nur, die vergangenen zehn Jahre noch einmal Revue passieren zu lassen und einzusehen, dass letztlich wohl auch dieser Artikel in 140 Zeichen hätte Platz finden können.

Vielen Dank für die mir und meinen Themen bisher geschenkte Aufmerksamkeit.