Rechtliche Schutzmöglichkeiten von Schriften

In den vergangenen Tagen ging es im Netz mal wieder um die Frage, welche rechtlichen Schutzmöglichkeiten für Schriften bzw. Fonts bestehen. Auch ich beschäftige mich – nicht nur berufsbedingt – mit dieser Frage und möchte nachfolgend meine Interpretation dieses komplizierten Themas in komprimiertest möglicher Form zusammenfassen. Ich bitte dabei zu berücksichtigen, dass es sich hierbei nicht um eine Rechtsberatung handelt, lediglich um die Interpretation der Situation eines Menschen, der sich über Jahre hinweg immer wieder intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

Zunächst einmal überrascht, dass die Rechtsprechung Schwierigkeiten hat, den aufwändigen Entstehungsprozess von Schriften, vor allem aber die gestalterischen Leistungen der Designer zu verstehen und anzuerkennen. So wird Schriften in einem Urteil des Landgerichts Köln vom 12. Januar 2000 (Aktenzeichen 28 O 133/97) im Allgemeinen der Urheberrechtsschutz als Werk der bildenden oder der angewandten Kunst abgesprochen, unter bestimmten Voraussetzungen wiederum in ihrer Eigenschaft als Software zugesprochen.

Einige wichtige Schutzmechanismen haben sich aber doch herauskristallisiert. Einen möglichst wirksamen Schutz erzielen Schriftgestalter und -hersteller in der Regel über deren kombinierten Einsatz.

Urheberrechtsschutz

Durch die Veröffentlichung einer Schrift greift zunächst automatisch und ohne Registrierung der Urheberrechtsschutz. Er gilt dem Gestalter – beziehungsweise seinen Erben – bis 70 Jahre nach dessen Tod.

Für diesen Schutz muss die geistige und künstlerische Leistung allerdings eine gewisse Schöpfungshöhe erreichen. Da sich die im Design und der Erstellung deutlich aufwändigeren Textschriften aber in einem engen gestalterischen Rahmen bewegen (weil sie so gut wie möglich leserlich und daher von einer gewissen Einheitlichkeit sein müssen), wird ihnen durch die Rechtsprechung diese Schöpfungshöhe abgesprochen. Sie bleiben gemeinfrei und der Entwerfer hat keinen Anspruch auf einen Urheberrechtsschutz. Allenfalls Displayschriften für ästhetische Zwecke, die individueller gestaltet werden und so eher eine Eigenständigkeit erreichen, kann die notwendige Schöpfungshöhe zugesprochen werden. Damit unterstehen zumindest viele Schauschriften dem Urheberrechtsschutz.

Das hat den kuriosen Effekt, dass sich die Möglichkeit des urheberrechtlichen Schutzes umgekehrt proportional zum gestalterischen Aufwand verhält, ist doch die Erstellung einer Textschrift in nahezu allen Fällen ungleich aufwändiger als die einer Displayschrift.

Geschmacksmusterschutz

Einen vorgeschriebenen Mindestumfang muss eine Eintragung und Hinterlegung eines Schriftbeispiels in einem Musterregister haben. Mit dieser Methode kann eine Schutzdauer von zehn bis 25 Jahren erwirkt werden. Allerdings müssen die Schriftzeichen und der Gesamteindruck der Schrift auch hier neu oder von eigenartiger Erscheinung sein.

Der Geschmacksmusterschutz nach dem Schriftzeichengesetz ist die preiswerteste Methode des Schriftenschutzes. Die Anmeldung kann sowohl als nationales, als auch internationales Geschmacksmuster für mehrere Länder erfolgen. In den jeweiligen Datenbanken der Patent- und Markenämter können die Muster recherchiert werden.

Die Ämter prüfen allerdings nicht, ob tatsächlich die Voraussetzungen für einen Schutz erfüllt sind. Das wird erst durch ein Gericht in einem eventuell später notwendigen Verfahren festgestellt. Sind die Zeichen ausreichend eigenständig, greift bereits ein automatischer Geschmacksmusterschutz von drei Jahren ab Veröffentlichung ohne Anmeldung.

Urheberrechtsschutz für Computerprogramme

Da Fonts als Software anerkannt werden, greift zusätzlich der Urheberrechtsschutz für Computerprogramme. Hierfür werden digitale Eigenschaften wie die Konturenbeschreibung, die Laufweite und das Kerning der Schrift herangezogen. Die Vorteile dieser Methode sind einerseits der geringere notwendige Grad an Individualität, andererseits die größere Schutzwirkung: Selbst die Privatkopie ist bei Computerprogrammen untersagt.

Jedoch gibt es auch hier einige rechtliche Unsicherheiten. Die Rechtsprechung war sich bisher uneins, ob Fonts tatsächlich als Software angesehen werden können und damit ein solcher Schutz greifen kann. Argumente gegen diese Annahme waren lange Zeit mangelnde Befehls- und Steuerungsfunktionen, wie sie bei eigenständigen Programmen üblich sind, Argumente dafür sind die durch den Gestalter für Darstellung und Zurichtung zu programmierenden Hints, die allerdings nicht alle Schriften beinhalten. Klarer Fürsprecher eines solchen Schutzes ist aber der wachsende Grad der Komplexität von Schriftdateien, insbesondere durch die Möglichkeiten des OpenType-Formates. Einfache und kontextbedingte Anweisungen zum Ersetzen und Positionieren diverser Glyphen müssen von einem Interpreter (der OpenType-Layout-Engine) ausgeführt werden, die Reihenfolge der Anweisungen (Lookups) wird vom Entwickler festgelegt. Die als einfache Steuerungssprache interpretierbare Layout-Funktionalität von OpenType dürfte moderne Fonts zweifelsfrei zu Computerprogrammen machen.

So oder so erstreckt sich der Schutz lediglich auf die Dateien und nicht auf das Schriftdesign selbst. Eine abschließende Rechtsprechung steht hier noch aus.

Markenschutz

Einfacher zu schützen ist hingegen der Name einer Schrift. Mit dem Warenzeichen kann gegen eine Gebühr beim Deutschen Marken- und Patentamt oder anderen vergleichbaren nationalen und internationalen Organisationen die Verwendung des Namens durch Dritte ausgeschlossen werden. Das ®-Zeichen (für registered) deutet auf einen erfolgreichen Eintrag des Namens hin, das ™-Zeichen (für Trademark) kennzeichnet eine noch unregistrierte Marke, verweist aber gleichzeitig auf einen erhöhten Rechtsstatus im anglo-amerikanischen Raum.

Der Markenschutz gilt zehn Jahre ab dem Tag der Anmeldung und kann um jeweils weitere zehn Jahre gegen Zahlung einer Gebühr verlängert werden.

FF Bau™ ist beispielsweise ein Warenzeichen der FSI FontShop International GmbH, Myriad® ein eingetragenes Warenzeichen der Adobe Systems Inc.

„Sui Generis“-Schutzrecht und Urheberrechtsschutz von Datensammlungen

Mit der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken wurde ein „Sui Generis“-Schutz von Datensammlungen in der EU eingeführt. Damit wird die Einzigartigkeit digitaler Schriftarten berücksichtigt, so dass sie – obwohl sie nicht in übliche Formtypiken passt – in juristischen Klassifikationen beschrieben werden können, wohl aber als eine Datenbank im Sinne dieser Richtlinie. In dieser Richtlinie wird festgelegt, dass eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind, mindestens bis zu 15 Jahre nach dem 1. Januar des auf den Tag des Abschlusses der Herstellung folgenden Jahres urheberrechtlich geschützt sind. Derartige Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen unterliegen gar dem allgemeine Urheberrechtsschutz, also bis 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers.

Darüber hinaus gibt es ein weiteres Schutzrecht von 15 Jahren für Datenbanken, für deren Erstellung eine wesentliche Investition erforderlich ist. Dieses Recht stützt sich also nicht auf den Kriterien der geistigen Schöpfung, sondern auf den Kriterien einer wirtschaftlichen Investition.

Eine digitale Schrift sollte also als eine Datenbank im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden können. Die Kodierung, Auswahl der Glyphen, der Aufbau der gesamten Schrift, aber auch die besondere Ausgestaltung des Kernings und anderer Daten innerhalb einer Schriftdatei genießt damit also den doppelten Schutz, urheberrechtlich und „sui generis“.

Dies gilt unabhängig davon, ob jegliche Aspekte des Schutzes einer digitalen Schrift oder deren Komponenten als Computerprogramm greifen – weil beispielsweise die Schrift automatisch gehintet wurde oder auch die OpenType-Layout-Anweisungen automatisch oder nach Copy-Paste-Prinzip erstellt wurden – oder ob die grafische Ausgestaltung der einzelnen Daten – also etwa die Form der einzelnen Glyphen – Urheberrechtsschutz genießen. Sprich: auch wenn das Design einer Glyphe in einer „Akkurat“-Schrift keinen Schutz genießt, die Anordnung der Glyphen als solche, deren Sammlung, genießt diesen Schutz.

Eine besondere Frage zum Datenbankschutz könnte auch sein, ob die digitale Konturenbeschreibung einer Schrift mit Hilfe von Bezier- oder B-Spline-Punkten nicht in der Tat auch eine Datenbank im Sinne der EU-Richtlinie ist. Es ist tatsächlich etwas schwierig zu argumentieren, dass eine Ansammlung von Umrisspunkten samt geometrischen Koordinaten ein „Computerprogramm“ ist, wenn man mal komplett vom Hinting usw. absieht. Man könnte aber argumentieren, dass eine digitale Glyphe eine kleine digitale Datenbank ist, also „eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind.“ Die gesamte digitale Schrift mit noch größerer Sicherheit.

Fazit

Durch den kombinierten Einsatz der zur Verfügung stehenden Schutzmöglichkeiten von Schriften erhalten Schriftgestalter und -hersteller bereits ein Mindestmaß an Sicherheit. Mit dem Urheberrechtsschutz von Datensammlungen ist aber ein noch stärkerer Schutzmechanismus geschaffen worden. Die endgültige Klärung von Streitfällen obliegt allerdings wie immer den Gerichten. Diesem Weg sind jedoch die wenigsten typografischen Mitstreiter finanziell gewachsen. Anerkennung – sowohl fachlicher als auch finanzieller Art – sowie innere Befriedigung für die eigene (auch in „inspirierter“ Form immer noch sehr aufwändige Arbeit) wird man so oder so immer nur über originelle eigene Entwürfe erhalten.

Quellen und weiterführende Informationen